«Kunst und Kümmern» im Café Kafka
Von Eleonora Wicki
Schreiben kann eine einsame Tätigkeit sein. Dafür braucht mensch A Room of One’s Own, ein eigenes Zimmer. Die Idee, dass Schreiben nur in Einsamkeit gelingt, könnte jedoch dem Mythos des unabhängig-brillant-visionär-tiefgründig-göttlich-unberechenbar-manisch-egozentrisch-männlichen Genies entstammen und sollte herausgefordert werden. Vielleicht ist Schreiben eine verbindende Tätigkeit. Vielleicht lässt sich auch – oder gar besser – im Kollektiv schreiben. Vielleicht braucht Schreiben auch Austausch, Vorlesen, Gehört-werden, gemeinsames Über-das-Schreiben-nachdenken. Vielleicht sind Genies einfühlsam-kooperativ-dialogisch-vernetzt-resonant-gemeinschaftlich-zugewandt-beziehungsintelligent-geschlechtsneutral. Vielleicht brauchen menschliche Genies für ihre Entfaltung das Kollektiv, für das Schreiben A Shared Space, einen geteilten Raum.
Diesen Shared Space gibt es neu in Basel: Im Rahmen des Schreibcafés «Kunst und Kümmern» sind einmal pro Woche im Café Kafka des Literaturhauses Basel Tische reserviert für alle, die das Gemeinsamschreiben entdecken oder kultivieren möchten, für alle, die sowohl Kunst machen als auch kümmernd sein wollen und für alle, die über die Verbindung von Kunst und Kümmern nachdenken, darüber schreiben, lesen und diskutieren wollen.
Kommt mensch etwas unsicher und schüchtern im Café Kafka an, verweisen die Angestellten eine*n an die dafür bestimmten Tische. Dort warten nicht nur Menschen, die sich zu Kunst und Kümmern Gedanken machen, sondern sich darum gekümmert haben, die Vereinigung dieser vermeintlichen Gegensätze in die Tat umzusetzen: Nebst dem eigentlichen Treffen haben die Organisator*innen Leadora, Chris und Andrea eine kleine Care-Bibliothek zusammengestellt, die aktuelle Bücher zum Thema Art und Care bereithält, von literarischen Werken über wissenschaftliche Studien zu politischen Streitschriften.
Ob gemeinsam Schreiben ein Miteinanderschreiben oder einfach ein Nebeneinanderschreiben sei, können die Gäst*innen selbst bestimmen.
Das Format dieses Schreibcafés sei offen, sagen die Organisator*innen, es werde von den Teilnehmenden mitgestaltet.[1] Ob gemeinsam Schreiben ein Miteinanderschreiben oder einfach ein Nebeneinanderschreiben sei, können die Gäst*innen selbst bestimmen. Ob Tagebuch, philosophische Abhandlungen, politische Manifeste, Briefe an Freund*innen geschrieben werden oder Nachtbuch, literarische Abhandlungen, poetische Manifeste und Briefe an Feinde, ist natürlich ebenfalls den Gäst*innen überlassen. Ob ‘nur’ geschrieben wird, oder ob das Geschriebene geteilt wird, ob gäst*in schreibt oder liest oder nachdenkt oder diskutiert, ob gäst*in Tee trinkt oder Kuchen isst oder all dies tut – das Schreibcafé bietet den Raum, den Tisch und die Mitschreibenden dafür.
Zwei geführte und darum nicht ganz so freie, aber umso inspirierendere Formate finden am 5. und 12. November im Rahmen der BuchBasel mit den Special Editions «Kollektives Schreiben» statt. Am 5. November gestaltet Leadora einen Austausch mit dem Kollektiv LITER. Am 12. November werden Bedingungen, Möglichkeiten und Beispiele kollektiven Schreibens diskutiert, die Moderation übernehmen Andrea und Leadora.
Gemeinsamschreiben ist vielleicht etwas aufwändiger als Einsamschreiben, weil Mitschreibende, Raum und Zeit gefunden werden müssen. Das Schreibcafé «Kunst und Kümmern» ist die Antwort auf diese Herausforderungen: Es entstand, weil der Wunsch der Teilnehmenden des letztjährigen Workshops «Kunst oder Kümmern. Care als Bedingung und Thema von Literatur» nach einem Ort, an dem zusammen geschrieben werden kann, gehört und umgesetzt wurde. Im Gäst*innenbuch schreibt Andrea: «Dieses gemeinsame Format steht offen für Eindrücke, Gedanken, Leseempfehlungen und was Euch beim Schreiben gerade durch den Kopf geht! Der Anfang ist gemacht …».
Der Anfang ist gemacht! Es gibt einen Shared Space zum Miteinanderschreiben und zum Mitschreiben an Literaturen, für die Kümmern nicht ein Gegensatz von Kunst, sondern ihre Bedingung ist. Also raus aus dem eigenen Zimmer und rein ins Café Kafka! Lasst eure Genies kollektiv erwachen!
Bemerkungen
[1] Eine Kinderbetreuung ist bisher nicht organisiert, könnte jedoch bei Bedarf gemeinsam angedacht werden.
Bild: Workshop «Kunst oder Kümmern» während der BuchBasel, 2024. Foto: © Eleonora Wicki.




