Von Alissa Gabler. Dieser Beitrag ist Teil der Serie «Barbie».
Pinkstinks, 2017
Hat das bisschen Pink wirklich einen so grossen Einfluss?»
Die Farbe Pink ist in der heutigen Zeit allgegenwärtig. Pink wird mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht und ist die «Signatur-Farbe» von Barbie. Mich interessiert, was diese omnipräsente Farbe und Puppe in Bezug auf die Sozialisation von Kindern bedeutet. In diesem Blogbeitrag möchte ich dieser Thematik anhand der Geschichte der Farbe Pink, Barbie und des Projekts Pinkstinks auf den Grund gehen.
Goertz, 2023
Pink wird nicht mehr nur mit «Tussi-Gehabe» oder Mädchenhaftigkeit verbunden. Pink hat Power»
In einem Artikel des Monopol Magazins beschäftigte sich die Journalistin Maja Goertz 2023 nach der Erscheinung des «Barbie»-Films von Greta Gerwig und dessen exzessiven Verwendung der pinken Farbe mit der Kulturgeschichte von Pink. Barbie gilt als Personifikation dieser Farbe. Dass sich die Spielzeugfirma Mattel für Barbie diese starke und gut sichtbare Farbe zu eigen machte, verwundert mich nicht.
Doch ursprünglich wurde Barbie ebenso wenig wie kleine Mädchen mit der Farbe Pink in Verbindung gebracht. Als die Barbie erstmals auf den Markt kam, war sie in einem schwarz-weissen Badeanzug gekleidet. Es war erst in den frühen 1970er Jahren, dass Mattel begann, Barbies in rosa Verpackungen zu verkaufen (vgl. Blandino, 2023). Diese Änderung erfolgte, um mehr junge Mädchen als potenzielle Käuferinnen anzusprechen. Mit den gesellschaftlichen Änderungen kamen auch neue Geschlechterstereotype in Bezug auf Farben auf. Die Verbindung zwischen der Farbe Pink und Barbie verstärkte sich und ist bis heute stark geblieben. Diese Entwicklung spiegelt wider, wie kulturelle Normen und Marketingstrategien die Wahrnehmung von Geschlecht und Farbe beeinflussen können.

Grisard, 2018, S. 145
The Color Pink stands for all things feminine»
Pink ist in der heutigen Gesellschaft eine «weibliche» Farbe. Nicht selten höre ich während meiner Arbeit als Klassenlehrerin siebenjährige Jungs laut protestieren, wenn sie im Freispiel mit etwas spielen sollen, das pink ist. Doch das war nicht immer so. Pink wurde anfangs des 20. Jahrhunderts als Rotton betrachtet, eine Farbe, in welcher nicht selten Knaben eingekleidet wurden (vgl. Grisard, 2018, S. 145ff.). Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Farbe Pink zum Markenzeichen für Frauen – die Farbe pink ist dabei nicht nur vergeschlechtlicht, sondern auch rassifiziert und klassenspezifisch zu verstehen: In den 1950er Jahren entstand eine weisse bürgerliche Vorstellung weiblicher Schönheit, welche blonde Haaren, blaue Augen und rosa Haut verherrlichte. Rosa Haut wurde mit Gesundheit und guter Durchblutung in Verbindung gesetzt (vgl. Grisard, 2019, S. 103f.).
Doch auch Mitte des 20. Jahrhunderts trugen nicht ausschliesslich Frauen und Mädchen Pink. Die Rock and Roll Legende Elvis Presley trug verschiedene Outfits in dieser Farbe. In Gefängnissen für Männer wurde seit den 1970ern die Farbe Pink genutzt, um das Verhalten der Insassen zu ändern, was viel über die «Kraft» dieser Farbe aussagt: Weil die Farbe derart vergeschlechtlicht, sexualisiert, rassifziert und klassenspezifisch aufgeladen ist, wird ihr eine beruhigende Wirkung zugesprochen. Diese Wirkung konnte bisher nicht abschliessend nachgewiesen werden. Gemäss Gerichtsfällen fühlten sich männliche Insassen in den USA gedemütigt, feminisiert und «homosexualisiert» durch diese «feminine» Farbe (vgl. Grisard, 2018, S. 145ff.).
Darf mein Kind noch mit Barbie spielen?»
Pinkstinks Germany, 2023
Das Projekt Pinkstinks wurde gerade aufgrund der Dominanz und der Allgegenwärtigkeit stereotyper Weiblichkeitsbilder in London im Jahr 2008 ins Leben gerufen. 2012 fand das Projekt unter dem Namen «Project Pinkstinks Germany» auch in Hamburg seinen Platz. Es setzt sich intensiv mit gesellschaftlichen Geschlechterrollen und stereotypen Farbzuschreibungen auseinander. Der Name «Pinkstinks» allein zeigt bereits eine kritische Haltung gegenüber der Farbe Pink. Doch die Botschaft des Projekts ist komplexer als blosse Ablehnung, was ich sehr interessant finde. Das Ziel von Pinkstinks ist, Mädchen ebenso wie Jungen alle Möglichkeiten offen zu halten, ohne Einschränkung durch traditionelle Farbkodierungen (vgl. Krieger, 2015).
In Bezug auf das Konsumverhalten von Kindern setzt sich Pinkstinks intensiv mit der Problematik geschlechterstereotyper Spielzeugzuweisungen auseinander. Das Projekt zielt darauf ab, das Bewusstsein für die Auswirkung dieser Zuweisungen auf die Entwicklung von Kindern zu schärfen und setzt sich für eine Vielfalt an Spielzeugen ein, die frei von Geschlechterklischees sind. Durch unter anderem Kampagnen, Anti-Sexismus-Beratungen und Bildungsarbeit sensibilisiert das Projekt für diese Thematik (vgl. ebd.).
Die Verbindung dieses feministischen Projekts mit Barbie und der Farbe Pink verdeutlicht die tiefgehende Problematik in Bezug auf die Sozialisation von Kindern und die Verfestigung geschlechtsspezifischer Stereotypen. Schon oft habe ich mir während des Freispiels der Kinder in der Schule überlegt, ob das Barbie-Spiel überhaupt noch angeboten werden sollte. Der neue Barbie-Film von 2023 hat den Barbie-Trend verstärkt und das Interesse der Mädchen an Barbie-Puppen wiederbelebt. Deshalb finde ich die Sensibilisierungsarbeit von Pinkstinks Germany mit ihrem Projekt «Schule gegen Sexismus» besonders spannend. Anhand unterschiedlicher Zugänge wird Aufklärung ermöglicht. Mit Schularbeitsheften, Postkartensets, Fördermitgliedschaften oder Youtube-Videos verschafft sich dieses Projekt auf verschiedenen Ebenen Gehör. Auch auf den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram ist Pinkstinks Germany aktiv.
Das Youtube-Video von «Schule gegen Sexismus» mit dem Titel «Darf mein Kind noch mit Barbie spielen?», erklärt in 6 Minuten, worauf beim Kauf einer Barbie geachtet werden soll und welche ursprüngliche Vision hinter der Puppe stand. Es verdeutlicht die Problematik der geschlechtsspezifischen Spielzeugzuweisung und lädt dazu ein, über Rollenbilder, die Kinder durch Spielzeug vermittelt bekommen, nachzudenken.
Mädchen können viel mehr sein als einfach nur die Prinzessin»,
betont die erste Sprecherin im Video von Pinkstinks Germany von 2023 (0:10). Im Video geht es darum, wie schwierig es ist, Mädchen für Astronauten-Barbies zu begeistern, wenn sie eigentlich nach einer Glitzer-Barbie verlangen. Dabei manifestiert sich die Orientierung von Kindern an der Peer-Group und dem unbewussten Wunsch, Erwartungen zu erfüllen (vgl. Grisard & Schmiedel, 2013). Im Video wird betont, dass das Spiel mit Barbies tatsächlich feministisch sein kann. Denn beim Spiel können Kinder verschiedene Perspektiven einnehmen. Aber was tun, wenn in Spielzeugläden hauptsächlich Prinzessinnen-Barbies verkauft werden, welche die gängigen Geschlechterstereotypen reproduzieren? Das Aufzeigen von alternativen Geschlechterbildern, um die Konstruktion eines normativen binären sozialen Geschlechts zu durchbrechen, sei es in der Schule oder zuhause, ist wichtig (vgl. Foss, 2019, S. 5).
Kommentar eines Vaters
Das ist jetzt aber für eine gemischte Klasse schon ein bisschen zu viel Pink in der Spielecke»
Als Lehrerin werde ich oft mit Meinungen, beispielsweise bezüglich des «richtigen» Sportunterrichts für Mädchen und Jungs, überschüttet. Auch die Auswahl an Bilderbüchern in meinem Klassenzimmer oder die Spielzeuge für das Freispiel werden in Frage gestellt. Denn bei mir gibt es keine spezifische Trennung zwischen Puppen für Mädchen und Autos für Jungen. Diese Zuschreibung binärer Geschlechterstereotypen beginnt schon im Kleinkindalter (vgl. Rogers, 1999, S. 4).
Erwartungen, die Eltern, Tanten, Opas oder Lehrpersonen an das Kind haben, drängen es in eine Richtung. Auch Barbies gehören zur Gruppe der typisch traditionellen Mädchenspielzeuge. Zumindest werden sie oftmals in pinken Outfits präsentiert und selbst das Barbie-Logo ist rosafarben. Doch Ruth Handler, der Mitgründerin von Barbie, sei es wichtig gewesen, ein Spielzeug zu erschaffen, bei welchem es nicht nur um die spielerische Reproduktion von Care-Arbeit gehe (vgl. Tulinski, 2017, S. 6f).
Dies war früher aufgrund der Puppen, welche ausschliesslich Babys darstellten, anders. Spielzeuge wie Küchen, Babypuppen oder Spielzeughäuser waren spezifisch an Mädchen gerichtet und repräsentierten Haushalts- und Fürsorgearbeit (vgl. Foss, 2019, S. 8). Mit der Barbiepuppe sollte gezeigt werden, dass Frauen alle Berufe ausüben können, und dass dies nicht mit dem Verlust ihrer Weiblichkeit einhergeht. Doch diese extreme Femininität und das Stereotyp der ‘hübschen Weiblichkeit’ mit unrealistischen Proportionen wurde vielmals kritisiert (vgl. Rogers, 1999, S. 190).
Auch zu Beginn des Verkaufs dieser erwachsenen Puppe, löste die betonte Weiblichkeit, beispielsweise ihre umfangreichen Brüste oder fehlende Vulva, Diskussionen aus (vgl. Tulinski 2017, S. 6f). Barbies erster Beruf war der eines Foto-Models. Daraufhin wandelte sich Mattels Marketingstrategie und sie wurde zu einem gewöhnlichen Teenager: die Puppe sollte jungen Mädchen helfen zu träumen und sich eigene Identitäten für das Barbie-Spiel zu überlegen (vgl. Tulinski, 2017, S. 11f). Barbie wurde gar zur «Presidential Barbie» (Rogers 1999, S. 188) und sollte die grenzenlosen Berufsmöglichkeiten von Frauen zeigen.
Barbie zeichnet sich aus durch ihren Wiedererkennungswert. Mittlerweile existiert nicht mehr nur «die» weisse, schlanke und blonde Barbie. Denn es zeigte sich, dass das Aussehen der Barbie Einfluss auf das Selbstbild der damit spielenden Kinder hat (vgl. Foss, 2019, S. 13). Doch die Puppe zeichnet sich nicht nur durch ihr Erscheinen, sondern auch durch ihren Besitz aus, also zum Beispiel ihr Traumhaus, all ihre Kleider und «the stuff of the good life» (Rogers, 1999, S. 61). Zu den Zielgruppen der Barbie gehören vor allem Kinder und Jugendliche bis hin zum Zwischenalter vor dem Erwachsenwerden (wobei das Sammeln von Barbies nicht bei allen im Erwachsenenalter endet; vgl. ebd., S. 68). Die Puppe verkörpert nicht nur Schönheitsideale, sondern fördert auch den Konsum. Die Idee des Konsums als Zeichen von Wohlstand und «gutem Leben» prägt die klassenspezifische Erfahrung von Barbie (vgl. Rogers 1999, 83): Wer kann sich wie viele Barbies inklusive Accessoires und Kleidung leisten? Wer kann wie Barbie im Luxus leben?
Gloria im Film «Barbie», 2023
It is literally impossible to be a woman»
Im «Barbie»-Film wird die hegemoniale Geschlechterordnung unserer Gesellschaft in Frage gestellt. Dies zeigt sich etwa dadurch, dass die Normen in der Gesellschaft der «Barbie»-Welt mit dem uns Gewohnten nicht übereinstimmen: die Barbies im Film gehen allen möglichen Berufen und Tätigkeiten nach und glänzen dabei ständig in ihrer Leistung. Ich kann mir vorstellen, dass für Menschen, welche sich zum Beispiel noch nie mit der Überzahl von Männern in der Chef*innenetage auseinandergesetzt haben, dieser Film augenöffnend ist.
Die Ästhetik im Film zeigt die Deutlichkeit der Verbindung von Barbie und Pink auf. Die Farbe Pink verspricht hierbei ein Gefühl von Spass und Leichtigkeit (vgl. Grisard, 2023). Die «Kraft» von Pink und die Möglichkeit, mit einem Phänomen mehrere Generationen zeitgleich zu erreichen, zeigt die Verfilmung von Barbie von Greta Gerwig 2023 deutlich. Bei der Rede von America Ferrera als Mattel-Angestellte Gloria wird klar, dass die Aussage des Filmes und die präsente Farbe Feminismus ausdrücken sollen. So wird ersichtlich, wie sich dieser Film, als Werbung für die Marke Mattel, feministischer Themen als Marketing- und Konsumstrategie bedient. Dennoch freut es mich auch, dass feministische Themen derzeit so gut anzukommen scheinen.
Die Wirkmacht von Spielsachen darf gemäss psychologischen Identifikationsvorgängen nicht unterschätzt werden (vgl. ebd.). Die Zuordnung von Spielsachen nach Geschlecht, schränkt die Fantasie von Kindern ein und prägt diese. Die Loslösung von Geschlechterstereotypen und Erwartungen gegenüber Kindern ist schwierig, dennoch finde ich es so wichtig, Kinder Kinder sein zu lassen und sie nicht in eine Schublade zu drängen. Barbie und Pinkstinks stimmen zumindest in einer Ansicht überein: Während des Spiels haben wir die Freiheit, jede Rolle einzunehmen (Pinkstinks Germany 2023). Es liegt an uns, sicherzustellen, dass dieses Spiel sich frei entfalten darf. Wir sollten daran arbeiten, dass Pink nicht länger ein Geschlechtsmerkmal, sondern einfach eine Farbe ist.
Alissa Gabler: Nach meinem Studium an der Pädagogischen Hochschule und meiner fünfjährigen Tätigkeit als Klassenlehrerin an einer Primarschule, wurde mir klar, dass ich einen Master in Gender Studies und Erziehungswissenschaft machen möchte. Im Alltag als Lehrerin sind mir besonders im Freispiel viele geschlechterspezifische Verhärtungen aufgefallen, welche ich in diesem Blogbeitrag näher betrachte.
Literatur
Blandino, Giovanni (2023): #Powercolors: The story of Barbie Pink. In: blog, pixartprinting.
Foss, Katherine A. (2019): «Pink or Blue?: The Genderin of Children’s Marketing». In: Foss, Katherine A (Hg.): Beyond Princess Culture. Gender and Children’s Marketing, Peter Lang, 2019, S. 3–31.
Grisard, Dominque und Schmiedel, Stievie (2013): Wem stinkt Pink? In: Missy Magazine.
Grisard, Dominique (2018): «In the Pink of Things: Gender, Sexuality and Race». In: Steele, Valerie (Hg.): Pink. The History of a Punk, Pretty, Powerful Color, Thames & Hudson, 2018, S. 145–159.
Grisard, Dominique (2019): «Die ‘weiche Macht’ von Farbe. Rosa Geschlechtersozialisation». Im: undKinder, Marie-Meierhofer-Institut für das Kind, 103, S. 53–66.
Grisard, Dominique (2023): Barbiecore – nichts als weisse Nostalgie? In: Missy Magazine.
Krieger, Marianne (2015): Pink stinks. Was wir tun. In: pinkstinks.de.
Rogers, Mary F. (1999): Barbie Culture. Sage Publications.
Tulinski, Hannah (2017): Barbie As Cultural Compass: Embodiment, Representation, and Resistance Surrounding the World’s Most Iconized Doll. College of the Holy Cross, Sociology Student Scholarship.