Von Diana Baumgarten.

Die Ergebnisse der Vorstudie «Geschlechterverhältnisse in der Schweiz» (2019-2021) zeigen deutlich, wie die strategischen (Vorstand, Präsidien) und operativen (Geschäftsleitung, Direktion) Leitungen künstlerischer Institutionen in der Schweiz über alle Sparten hinweg von einer vertikalen wie horizontalen Geschlechtersegregation gekennzeichnet sind. Wie in anderen Bereichen der Berufswelt, sind Frauen in strategischen Leitungen – also dort, wo die langfristige, inhaltliche Ausrichtung einer Kulturinstitution entschieden wird – von Kulturhäusern, -betrieben und -festivals bislang zu wenig vertreten. Frauen sind im Schweizer Kulturbetrieb vor allem auf operativer Ebene und in zugeordneten Positionen sichtbar.

Bei den von uns untersuchten 4 Sparten: Theater, Literatur, Musik und Visuelle Kunst bildet die Musik mit lediglich 8.3% Frauen in Präsidien/Vizepräsidien in der Trägerschaft von den 11 analysierten Musikhäusern und Festivals das Schlusslicht. Doch nicht nur «hinter der Bühne» gibt es wenig Frauen, auch «auf der Bühne» sind sie unabhängig vom Musikgenre nicht sehr prominent vertreten.

Hier zeigt die Auswertung der 5 Häuser und Festivals aus dem Bereich der Klassischen Musik, dass die Soloparts zu einem Drittel von Frauen und zu zwei Dritteln von Männer besetzt sind. Auch für klassische Orchester-/Chormitglieder zeigt sich dasselbe Bild: ein Drittel der Orchester-/Chormitglieder sind Frauen, zwei Drittel sind Männer. Dass diese Zahlen nicht dem ausgewählten Sample geschuldet sind, sondern auch ähnlich wären, wenn mehr Musikbetriebe einbezogen würden, machen Studien aus Deutschland, aber auch internationale Zählungen deutlich (siehe weiterführende Informationen).

Ganz selten sind Frauen im Rock-/Popbereich, wie die Auswertung dreier grosser Festivals zeigt: In der Star-Funktion (Leadgesang, Hauptstimme) liegt ihr Anteil unter zehn Prozent. Leicht über zehn Prozent ist der Anteil der Frauen in den Begleitbands. Die grosse Mehrheit allerdings machen Frauen im Bereich Begleit-/Hintergrundgesang resp. Nebenstimmen aus. Auch im Jazz (3 Festivals) sehen wir 12% Frauen auf der Bühne gegenüber 88% Männern.

Einige der quantitativen Ergebnisse der Vorstudie in Grafiken. Die Zahlen werden im Bericht der Vorstudie, zugänglich auf der Website des Zentrum Gender Studies der Universität Basel, aufgeführt.


Um diese Zahlen nachhaltig zu verändern, braucht es neben Förder- und Gleichstellungsmassnahmen und viel Engagement auch eine regelmässige Evaluation. Nur so lässt sich feststellen, ob die ergriffenen Massnahmen tatsächlich greifen und zu nachhaltigen Veränderungen führen.

Aus diesem Grund wurde das Projekt «Gender und Diversitätsmonitoring in Kulturbetrieben» (2022-2024) initiiert. Ziel des Projekts ist es, mit Pilotbetrieben aus der ganzen Schweiz ein zuverlässiges Erhebungssystem für Genderindikatoren und ein darauf basierendes Reporting zu entwickeln.

Damit sich das vorhandene Transformationspotential entfalten und Veränderungen herbeigeführt werden können, braucht es ausserdem eine Vernetzung unter den verschiedenen, derzeit in der Schweizer Musikkultur engagierten Akteur*innen. Deshalb plant das Projektteam im Frühjahr 2025 ein Vernetzungstreffen Musik zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Inklusion in der Schweizer Musiklandschaft. Ziel soll sein, sich gegenseitig über die eigene Arbeit zu informieren und im Ausprobieren alternativer Praxen zu ermutigen, sich zu unterstützen und Synergien zu bilden.


Diana Baumgarten ist Soziologin und Geschlechterforscherin und seit der Vorstudie dabei, insbesondere die Geschlechterverhältnisse in der Musik zu ergründen.


Weiterführende Informationen

Deutsche Jazzunion e.V. (2020) «Gender.Macht.Musik. Geschlechtergerechtigkeit im Jazz»

MaLisa Stiftung (2021) «Geschlechtergerechtigkeit in der Musikbranche»

Österreichische Nationalbibliothek, Online Ausstellung «Die übersehenen Komponistinnen»

Schulz Gabriele & Zimmermann Olaf (2023) «Baustelle Geschlechtergerechtigkeit: Datenreport zur wirtschaftlichen und sozialen Lage im Arbeitsmarkt Kultur»

Schulz Gabriele, Ries Caroline, Zimmermann Olaf (2016) «Frauen in Kultur und Medien. Ein Überblick über aktuelle Tendenzen, Entwicklungen und Lösungsvorschläge»

Stiftung Donne, Women in Music «Big List of Women Composers»

Stiftung Donne, Women in Music «Equality & Diversity in Global Repertoire» (111 Orchestras | 2021/2022 Season)

VAN Online-Magazin für Klassische Musik «250 Komponistinnen-Porträts»


Beitragsbild: Symbolbild. Foto von Kobe Subramaniam auf Unsplash.