Geschlechterverhältnisse im Schweizer Kulturbetrieb

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Frauen sind im Schweizer Kulturbetrieb in vielen Bereichen markant untervertreten. Das gilt sowohl für Führungs- und künstlerische Leitungsfunktionen wie auch für die Präsenz auf Bühnen und in Ausstellungen. Dies belegt die letzte Woche angekündigte Vorstudie Geschlechterverhältnisse im Schweizer Kulturbetrieb des Zentrums Gender Studies der Universität Basel, die heute veröffentlicht wurde. Sie liefert neue Erkenntnisse zu den Geschlechterverhältnissen in den Sparten Darstellende Künste, Musik, Literatur und Visuelle Kunst. Die Unterschiede zwischen den Sparten sind ausgeprägt, am grössten ist der Handlungsbedarf in den Bereichen Musik und Visuelle Kunst.

Eine erste zusammenfassende Schlussfolgerung liesse sich wie folgt formulieren: Insgesamt lässt die Vorstudie Trends und Tendenzen erkennen bezüglich den Geschlechterverhältnissen im Schweizer Kulturbetrieb. Dabei wird deutlich, dass es zwar erste Ansätze der Veränderung traditioneller Geschlechterverhältnisse gibt, sich diese jedoch nach wie vor hartnäckig halten.

Frauen sind in Führungsfunktionen untervertreten. Dies gilt für strategische und operative Leitungsgremien sowohl in Kulturhäusern und -betrieben, wie auch in Berufs-, Betriebs- und Produktionsverbänden. So liegt zum Beispiel der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der untersuchten Kulturhäuser und -betriebe bei 42 Prozent. Direktionen, Vizedirektionen und Intendanzen sind hingegen nur zu 34,5 Prozent mit Frauen besetzt. Hierbei ist hervorzuheben, dass es markante Unterschiede zwischen den Sparten gibt: Während in der Literatur auf der Ebene Direktion/Intendanz 55 Prozent Frauen tätig sind, ist in den untersuchten Musikinstitutionen keine einzige Frau auf dieser Stufe zu finden.

Auch in künstlerischen Leitungsfunktionen sowie als Urheberinnen von künstlerischen Werken sind Frauen stark in der Unterzahl. Nur in 31 Prozent der in der Studie untersuchten Theaterproduktionen führen Frauen Regie, in lediglich sieben Prozent der Konzerte stehen sie am Dirigentenpult. 15 Prozent der aufgeführten Theaterstücke sind von Autorinnen verfasst, von den gespielten musikalischen Werken stammen nur zwei Prozent von Komponistinnen.

Bei Live-Auftritten auf Konzert- und Theaterbühnen, bei Lesungen oder Ausstellungen sind Frauen weniger sichtbarals Männer. Das Ausmass der Untervertretung hängt jedoch von der Sparte ab: In den Darstellenden Künsten und in der Literatur liegt die Präsenz von Frauen bei 40 bis 50 Prozent, während in der Visuellen Kunst in Gruppenausstellungen rund ein Drittel Frauen vertreten sind. Bei Einzelausstellungen sinkt ihr Anteil auf 26 Prozent. Unverhältnismässig wenig Auftrittsmöglichkeiten erhalten Frauen in der Musik: Liegt der Frauenanteil bei klassischen Konzerten noch bei 34 Prozent, so ist er im Rock/Pop und im Jazz bei Live-Performances bei nur noch 9 bis 12 Prozent.

Diese Tendenzen sind erkennbar aufgrund einer der Stärken der Vorstudie, nämlich dem konsequenten Zusammenführen von qualitativen und quantiativen Erkenntnissen. 

Slideshow: Einige der quantitativen Ergebnisse der Vorstudie in Grafiken. Diese sind auf Pro Helvetia zu finden, die Zahlen werden im Bericht der Vorstudie, zugänglich auf der Website des Zentrums Gender Studies der Universität Basel, genau aufgeführt.

Basierend auf der Vorstudie wurden folgende fünf Forderungen bzw. Empfehlungen formuliert:

  1. Daten zur Einkommenssituation und zum Ausmass des Gender Pay Gaps müssen vertieft erhoben werden.
  2. Einblicke in Berufsverläufe und Erkenntnisse zu zentralen Momenten in künstlerischen Karrieren werden benötigt, in denen sich Künstler*innen für oder gegen die Fortsetzung einer künstlerischen Laufbahn entscheiden.
  3. Entsprechend ist auch der Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachzugehen.
  4. Der Bereich der Förderung soll auf den unterschiedlichen Ebenen (Bund, Kantone, Städte & Gemeinden) unter Berücksichtigung der Vielzahl an Fördergefässen vertieft untersucht werden.
  5. Der Bereich der Hochschulen und der Ausbildung ist in die Untersuchungen einzubeziehen (Zugänglichkeit, Auswahlkriterien, Curricula, Dozierende, Zahlen von Studierenden und Absolvent*innen).

Ressourcen
Hier geht es zum Forschungsbericht der Studie auf der Seite des Zentrums Gender Studies der Universität Basel.
Hier geht es zur Zusammenfassung des Forschungsberichts beim Swiss Center for Social Research, Pro Helvetia und Social Insight GmbH.
Weitere Kommunikationspartner: alliance F, Helvetiarockt, UniNews der Universität Basel.
In den Medien: Berichte bei SwissInfo (Deutsch), SwissInfo (Englisch), SRF News und SRF Rendezvous vom 23.6., Bieler Tagblatt, Blick, Le Temps, Le Nouvelliste.

Impressum
Geschlechterverhältnisse im Schweizer Kulturbetrieb. Eine qualitative und quantitative Analyse mit Fokus auf Kulturschaffende, Kulturbetriebe und Verbände. Vorstudie im Auftrag von Pro Helvetia und dem Swiss Center for Social Research.
Verfasst von: Andrea Zimmermann & Diana Baumgarten, Zentrum Gender Studies, Universität Basel und: Daniela Gloor & Hanna Meier, Social Insight GmbH, unter Mitarbeit von: Luzia Knobel, 23.06.2021.


Bild: Grafik «Frauenanteil künstlerische Leitungsrollen. Regie, Choreografie, Dirigent*innen». Diese ist auf Pro Helvetia zu finden, die Zahlen werden im Bericht der Vorstudie, zugänglich auf der Website des Zentrums Gender Studies der Universität Basel, genau aufgeführt.