Von Mette Wagener. Dieser Beitrag ist Teil der Blogserie «Paula Rego: Geschlecht und Gewalt».
Schau mich an! Schau weg! Schau mich an! Schau weg! Mach was!
Magst du es, mich so zu sehen? Geniesst du es? Meinen machtlosen Körper auf diesem Sofa der Schande. Es ist kühl und durchgelegen. Mit der Hand kann ich darüberfahren und dabei jede einzelne runzlige Falte an meinen Fingerspitzen spüren. Die Kissen nehmen das halbe Sofa ein; hier ist nicht genug Platz für uns beide, also weg damit. Jetzt habe ich Platz, Platz und Zeit und Platz und Zeit und Platz und Zeit, für meine Gedanken. Gedanken, die kreisen und kreisen und kreisen, um die immer wieder gleichen Dinge. Ich kann nicht aufstehen, spüre meinen Körper nicht mehr, habe keine Kraft mehr, möchte nicht mehr sein. Oder doch? Halt, Stopp! Über solche Gedanken schäme ich mich. Mir wird warm, immer wärmer, heiss, ganz heiss, ich muss etwas loswerden.
Durch diesen Gedankenstrudel falle ich in eine Apathie. Ich bekomme nichts mehr um mich herum mit. Ins Nichts starrend versuche ich, den Druckpunkt auf meinem Bauch zu finden, den du mir gezeigt hast, für Situationen, in denen ich nichts mehr spüre. Ich finde ihn. Es hilft nicht. Nicht einmal meine Finger spüre ich auf meiner Haut. Sind sie warm oder kalt? Ich weiss es nicht. Würde es einen Unterschied machen? Vermutlich nicht. Kalt ist kalt, bleibt kalt, für immer.

Gedanken,
GeDanken,
GedanKen,
GEDanken,
GeDANKen, Gedanken, GEdanken, GEDANKEN, Besessen, GEDANKEN, Besessen, BEsessen, Gedanken, BesESSen, gedanken, GeDANKEN, besessen, BESessen, BesEssen, Besessen, BESESSEN. Gedanken drehen, rattern, knattern. GeDANken. Besessen. Besessene Gedanken. Gedanken sind besessen. BESESSEN. Besessen, gegessen, geFRESSen. Gefressen. Besessen. Gefressen. Besessen.
Gedanken besessen gefressen.
Gedanken. Besessen.
AUSBRUCH. Ausbrechen. Aus dem Gedankenkarussell. Ausbrechen aus dem Körper. Meine Arme und Beine kribbeln. Ich glaube, sie sind eingeschlafen. Ich sollte mich bewegen. An der Lehne des Sofas kann ich mich festhalten. Ich möchte mich meines eigenen Körpers wieder bemächtigen. Wenn ich schon meine Gedanken nicht kontrollieren kann, dann doch wenigstens die Position meines Körpers. In den Momenten, in denen die Apathie mich wieder freilässt, schaffe ich es mit Mühe, meinen Körper zu drehen. Alle Viere von mir streckend spüre ich den ziehenden Schmerz in meinen Gliedern. Schmerz ist fühlen. Fühlen ist lebendig sein. Das ist gut.

Jetzt fällst du mir wieder ein. Hast du mich die ganze Zeit beobachtet? Mir bei meinen stillen Leiden zugeschaut, im Wissen, dass du mir nicht helfen kannst? Ich möchte wieder kleiner werden, meinen ausgestreckten Körper einrollen und am liebsten in den Kissen des Sofas verschwinden. Trotzdem kann ich meinen Blick von dir nicht abwenden. Jetzt bist du wieder die Hauptfigur meiner Gedanken. Du. Du. DU.
Aber du sitzt nur da und schaust mich aus kleinen Augen hinter grossen Brillengläsern an. Du hast aufgehört dir Notizen in dein Heftchen zu schreiben. Schon lange. Ich frage mich ob bei dir Resignation eingetreten ist, ob ich ein hoffnungsloser Fall bin.
Ich möchte, dass du etwas machst, möchte, dass du mich nicht nur anstarrst. Sag was, tu was! Doch von dir kommt nichts. Wie nimmst du mich wahr? Was geht dir durch den Kopf bei meinem Anblick? Sehe ich für dich aus wie eine Puppe? Puppe. PUPPE. Püppchen. Nein.
Ich zeige dir wie lebendig ich bin. Kann mich zwar von diesem Sofa nicht lösen, das auf mich wirkt wie ein Magnet. Es zieht mich immer wieder zurück. Zurück auf den Boden der Tatsachen. Was mache ich hier, warum bin ich hier? Und trotzdem schaffe ich es mich kriechend bis an die oberste Kante zu manövrieren, drehe mich zur Seite und lasse die Beine baumeln.
Ich weiss, dass du es magst, mich so zu sehen.
Du wolltest, dass ich Wohlfühl-Kleidung trage.
Ich trage sie, für dich.
Du hast nicht darauf reagiert.
Ich bringe mich in Position.
Du schaust mich an.
Ich weiss, dass du es magst, mich so zu sehen!
Ich weiss, dass du es magst, mich so zu sehen.
Du wolltest, dass ich Wohlfühl-Kleidung trage.
Ich trage sie, für dich.
Du hast nicht darauf reagiert.
Ich bringe mich in Position.
Du schaust mich an.
Ich weiss, dass du es magst, mich so zu sehen!

Mette Wagener trinkt morgens ein Glas Zitronenwasser, um dem Tag die Säure vorwegzunehmen. Es macht frisch und munter und geht super runter. Sie ist immer wieder auf der Suche nach neuen Einschlafpositionen, damit sich Träume leichter träumen lassen und sitzt am liebsten im Schneidersitz auf dem Stuhl, weil die Gedanken besser fliessen können.
Weiterführende Angaben zu den Bildern:
Bild 1. Paula Rego «Possession I», 2004. Pastell auf Papier auf Aluminium, 150 x 100 cm. Coll. Fundação de Serralves – Museu de Arte Contemporânea, Porto, Portugal. Gespendet von Banco BPI, Grupo Cerealis, Grupo Sonae, Grupo Têxtil Manuel Gonçalves, Grupo Unicer, João Vasco Marques Pinto und Sogrape Vinhos, SA, 2005. ©Paula Rego. All rights reserved 2024 / Bridgeman Images.
Bild 2. Ausstellungsansicht «Paula Rego: Machtspiele» (28.09.2024 — 02.02.2025), Kunstmuseum Basel, mit den Gemälden «Possession III», «Possession IV» und «Possession V» von Paula Rego, 2004. Pastell auf Papier auf Aluminium, 150 x 100 cm. Coll. Fundação de Serralves – Museu de Arte Contemporânea, Porto, Portugal. Gespendet von Banco BPI, Grupo Cerealis, Grupo Sonae, Grupo Têxtil Manuel Gonçalves, Grupo Unicer, João Vasco Marques Pinto und Sogrape Vinhos, SA, 2005. ©Paula Rego. All rights reserved 2024 / Bridgeman Images. Foto Credit: Julian Salinas.
Bild 3. Ausstellungsansicht «Paula Rego: Machtspiele» (28.09.2024 — 02.02.2025), Kunstmuseum Basel. Im Vordergund «Possession IV», «Possession V», «Possession VI» und «Possession VII» von Paula Rego, 2004. Pastell auf Papier auf Aluminium, 150 x 100 cm. Coll. Fundação de Serralves – Museu de Arte Contemporânea, Porto, Portugal. Gespendet von Banco BPI, Grupo Cerealis, Grupo Sonae, Grupo Têxtil Manuel Gonçalves, Grupo Unicer, João Vasco Marques Pinto und Sogrape Vinhos, SA, 2005. Im Hintergrund «Untitled n. 6» von Paula Rego, 1998. Pastell auf Papier auf Aluminium, 110 x 100 cm. Privatsammlung. ©Paula Rego. All rights reserved 2024 / Bridgeman Images. Foto Credit: Max Ehrengruber und Jonas Schaffter.
Beitragsbild: Ausstellungsansicht «Paula Rego: Machtspiele» (28.09.2024 — 02.02.2025), Kunstmuseum Basel, mit den Gemälden «Possession III», «Possession IV» und «Possession V» von Paula Rego, 2004. Pastell auf Papier auf Aluminium, 150 x 100 cm. Coll. Fundação de Serralves – Museu de Arte Contemporânea, Porto, Portugal. Gespendet von Banco BPI, Grupo Cerealis, Grupo Sonae, Grupo Têxtil Manuel Gonçalves, Grupo Unicer, João Vasco Marques Pinto und Sogrape Vinhos, SA, 2005. © Paula Rego. All rights reserved 2024 / Bridgeman Images. Foto Credit: Julian Salinas.