Der Name scheint einem Comic entnommen: Bla*sh.
Blash!
Nach Lärm und Aufstand klingt das.
Das Wort ‹Aktivismus› findet sich aber nicht in der Beschreibung von Bla*sh. Und trotzdem würden sie sich als Aktivistinnen sehen, sagt Rahel El-Maawi, Freischaffende in der Sozio- und Bewegungskultur. Zusammen mit Sarah Owens spricht sie an diesem Abend im Kunstmuseum Gegenwart über soziales, kulturelles und politisches Empowerment und darüber, was es heisst, als Schwarz[1] wahrgenommen zu werden.
Das hat wenig mit dem lautem Protest zu tun, wie wir ihn zum Beispiel von Bildern des BlackLivesMatter-Movements kennen. Das Engagement von Bla*Sh scheint alltäglicher – deswegen ist es nicht weniger wichtig. Bla*Sh (für Black She mit Gendersternchen) engagiert sich zum Beispiel im Bereich der Wissensproduktion. Im Netzwerk gibt es seit Beginn einen Austausch über Schwarze Autorinnen und Journalistinnen. Zudem suchen sie nach Kinderbüchern, welche nicht nur den weissen, heteronormativen Teil der Schweizer Gesellschaft abbilden. Sie organisieren Diskussionen, Kulturveranstaltungen oder beteiligen sich am öffentlichen Diskurs, wie eben im Kunstmuseum Basel.
„Gegen Innen gibt uns Bla*Sh einen geschützten Raum. Das ist wichtig, um mit diskriminierenden Erfahrungen im Alltag nicht alleine dazustehen und um diese Erfahrungen im Gespräch auch einordnen zu können“, sagt Sarah Owens, Dozentin an der Hochschule der Künste in Zürich. Bla*Sh sei ein Netzwerk, welches den Erfahrungen Schwarzer Frauen eine Sprache verleihe.
Wie offen Sarah Owens und Rahel El-Maawi über eigene Erfahrungen sprechen ist eindrücklich. Sie tun das ruhig, mit einer gewissen Distanz, über einige besonders absurde Erlebnisse können sie lachen. Deswegen verlieren die Themen nicht an Brisanz. Owens erzählt davon, dass sie in Diskussionen immer und immer wieder erklären müsse, dass sie ja Dozentin an einer Hochschule der Gestaltung sei und darum durchaus über Design und Ästhetik sprechen könne. El-Maawi erzählt von ähnlichen Erfahrungen: Solange es um eine Meinung zum Schwarz-sein-in-der-Schweiz gehe, sei Bla*Sh eine oft adressierte Gruppe. Doch sobald sie sich unabhängig von diesem Netzwerk und in einem anderen Themenfeld bewege, müsse sie sich dafür rechtfertigen.
Sichtbar sein und Unsichtbar sein wollen, Unsichtbar sein und Sichtbar sein wollen, dies sind die Themen, denen Owens und El-Maawi viel Platz einräumen. Es gäbe Situationen in ihrem Alltag, da wünsche sie sich unsichtbar zu sein, sagt Owens, sie werde wegen ihrer Hautfarbe ständig als anders wahrgenommen. Umgekehrt sind Schwarze Frauen in den genannten Kinderbüchern oder aber in der Politik nicht oder nur schlecht repräsentiert und bleiben unsichtbar.
Wohl werden Ownens und El-Maawi auch in ihrem Dialog im Museum für Gegenwartskunst vor allem als Schwarze Frauen wahrgenommen, denn sie sprechen ja über ihre Erfahrungen damit, als sichtbar ‚anders‘ wahrgenommen zu werden. Und doch soll genau dieses Wahrnehmungsraster schlussendlich überwunden werden. Das wird paradoxerweise nur gelingen, wenn sich Menschen wie Owens oder El-Maawi in die Öffentlichkeit stellen, über ihre Erfahrungen sprechen und sich damit erneut den Zuschreibungen aussetzen. Doch gleichzeitig setzen sie diesen Zuschreibungen auch etwas entgegen.
Es scheint das Dilemma zu sein, in welchem sich diese Diskussion ständig bewegt.
„Wo sind die Schwarzen Frauen?“, habe Audre Lorde an einer Vorlesung in Zürich in den 90er Jahren gefragt. Der Weisse Feminismus habe sich sehr für sie interessiert, doch damit sei Blackness lange ein Weisser Diskurs geblieben.
Im Kunstmuseum Gegenwart sassen letzte Woche, mich eingenommen, fast ausschliesslich Weisse Menschen. Dies ist im Umfeld der Universität und der Museen in Basel nicht ungewöhnlich, doch im Kontext des Talks zum Netzwerk schwarzer Frauen tritt dieser Umstand noch deutlicher hervor.
Nach 10 Minuten standen zwei Weisse Männer auf und verliessen den Raum. Am Ende des Vortrags erklärte eine Weisse Frau im Publikum, als Jüdin könne sie sich in die Situation der beiden Referentinnen hineinversetzen. Vor 20 oder 30 Jahren sei sie auf diesem Stuhl gesessen, vielleicht auf einem Podium wie diesem. Diese Wortmeldung empfand ich als unangebracht: Obwohl die Frau wohl ihre Solidarität ausdrücken wollte, wirkte ihr Kommentar herablassend. „Wir“ waren einmal dort, wo „ihr“ jetzt seid. Diese Zuschreibungen verstärken meines Erachtens die Lücken zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Ausserdem generiert der Kommentar eine stringente Entwicklung, welche früher oder später für scheinbar alle gesellschaftlichen Teile einsetzen wird: ‚So wie uns wird es auch euch geschehen.’ Nicht zuletzt übersieht der Kommentar, dass jene negativen Zuschreibungen, welche Schwarze Frauen in der Schweiz durch ihre ständige Sichtbarkeit im Alltag erhalten, auf eine jüdische Frau nicht im selben Ausmass zutreffen kann.
Diese Beobachtung führt im weitesten Sinne zur Frage, wer wie über wen sprechen darf: Dürfen Menschen, die einer Minderheit oder einem diskriminierten Gesellschaftsteil angehören eher über andere, ebenfalls diskriminierte Teile der Gesellschaft urteilen?
Text by Juri Schmidhauser.
[1] Schwarz soll in diesem Text ebenso verwendet werden, wie das Sarah Owens und Rahel El-Maawi von Bla*Sh in ihrem Talk tun: Schwarz ist eine Zuschreibung welche zu Stigmatisierungen dieser Menschen führt. Schwarzsein soll aber Selbstbestimmt sein.