Dieser Text wurde von drei genderqueeren trans Personen kollaborativ geschrieben und als eine von drei Eröffnungsreden des «Pride Walks» am 1. Juli 2023 (organisiert von Basel tickt bunt!) gehalten.
Wie auch die Arbeit des tinq cafés und inzwischen einigen weiteren Community-Initiativen im städtischen Basel, geht es in dieser Rede darum – hoffnungsvoll und wütend – queere Solidarität, Verbundenheit und Zukunft zu beleuchten. Die Rede befasst sich weder ausschliesslich mit unseren Ausschlüssen, noch geht es darum, wie sehr wir uns mehr Inklusion (in eine derzeit kapitalistisch, rassistisch, cissexistisch-patriarchal geprägte Gesellschaft) wünschen. Denn oft finden wir uns als queere, marginalisierte Menschen in Gleichzeitigkeiten wieder: Wir schaffen es Räume voller Freude und Geborgenheit zu erkämpfen und zugleich durchdringt die ermüdende, gewaltvolle Realität dieser Welt auch dieses Gewebe. Sowohl das Eingeständnis dieser Tatsachen wie auch die Verwebung von hoffnungsvollem Idealismus und vehementer Pragmatik zeichnen den queeren t4t[1] Blick der Verfasser:innen aus.
Aus diesem Grund wurde dieser Text als Lexikoneintrag gewählt. Diese Rede orientiert sich nicht an einem cis(hetero) Blick. Sie verweigert normative Legitimitätsansprüche bezüglich professionalisierten Titeln oder Bekanntheitsgraden von Redner:innen. Ausserdem auch weil es ein kollaborativer – nicht individueller – Effort war, im Wissen dabei Leerstellen zu lassen und Fehler zu machen. Weil sie einen Versuch darstellt, die vielen Gleichzeitigkeiten einer – unserer – queeren t4t Existenz und Politik in Worte zu fassen.
Eine letzte Anmerkung zur formellen Präsentation: Die Rede wurde auf Deutsch und Englisch verfasst, wobei Gross- und Kleinschreibungs-‹Fehler› in beiden Sprachen während der Nachbearbeitung bzw. Vorbereitung der Blog-Publikation bewusste Entscheidungen waren. Ziel dieser Praxis wird von den Autor:innen so verstanden, dass damit zum einen stellenweise Beleidigungen als selbst-beschreibende, oft situativ verwendete, wieder-aneignende (‹self-reclaiming›) und keinesfalls totalitäre, (fremd-)definierende Bezeichnungen gekennzeichnet werden. Ausserdem wird beispielsweise auch ‹switzerland› bzw. ‹schweiz› kleingeschrieben, um damit das nationalstaatliche Konstrukt als hegemoniale Macht auf die orthografische Ebene des Verbes zu bringen, als etwas das (oft gewaltvoll) gemacht wird und unterdrückende Gesellschaftssysteme wirkungsvoll in Stand hält.
hi you, in your non-binary finery, shifty queers, trans butches, tunten, transen, schwuchteln, dicky dykes, gender traitors, inter quings/insurrectionists and agender anarchists. kampflesben, mannsweiber, sturdy studs and stylish stems, cunty crips, fluid fuckers, feral femmes, 2spirit shapeshifters, binary-busting perverts, hellish whores, confident prudes, those unnamed, those who do it wrong, those who do it just right and to those who cannot be here with us today, because you are imprisoned, held in asylum camps, or kept away by ableist barriers.
in short: dear terrors to the cis-tem,
we are those who hope, those who are angry, those who are full of fight and wish to change this whole damn shit show.
this speech was written by three genderqueers from our home where we
– cut and color each other’s hair
– get ready together in our silly little gay outfits and make-up
– navigate the binary bureaucracy thrown at us
– call each other in
– nourish each other, literally, with food and by reading trans feminist fiction cuddled up on the sofa
– dance to the tunes of our siblings and elders
where we survive by sharing dramatic memes and real, hopeful, and rebellious stories.
we write it from our home, because the outside world is tiring and exhausting.
we are not being an inspirational story, we are not always brave and resilient, or 100% sure of being trans and we certainly do not fit into those neat tiny boxes.
those boxes are imposed on us by psychologists and psychiatrists who gatekeep our access to health services and make decisions for instead of with us, cops who beat and racially profile some of us, politicians from the parliament who pretend to support us, teachers who teach us history like switzerland wasn’t a colonial profiteer and queers didn’t exist until now, parents who are more invested in their idea of us than who we are, doctors who decide based on our infant genitalia whether we’re normal enough or will be forced to endure surgical procedures.
we are being practical here.
we do not do this because we’re the most qualified for any of this, we do it because it needs to get done.
we want to make our own choices, we want to decide what happens with our bodies, our resources, our love, our lives and we know you feel the same.
we want a world wherein we celebrate difference instead of competition. where we work to secure access instead of borders. we want a world where we do not depend on a state to give us the right to basic dignity.
we will be the ones going the distance, we will be the ones staying at home. we will be the ones to build and grow and fester until we get to move and dress freely, until we get to be kind and no longer have to fight just to exist on our own terms.
we will be the space to call home or the in between.
we will support each other physically, financially, internationally and locally.
we will learn from conflict and hold each other accountable because we’re not there yet.
let’s make this happen.
let’s go do shit and keep doing it.
go redistribute money, go cook food for our lovelies, go rest, go share our hormones, go resist fascists, go support our local black block, go build collectives, go build our own systems.
let’s go create safer, braver spaces to have soft, replenishing times.
we will do whatever we need to get there.
thank you for going with us!
Liebe Schrecken des Cis-tems,
wir sind diejenigen, die hoffen, die wütend sind, die kämpferisch diese ganze verdammte Scheissshow ändern wollen.
Diese Rede wurde von uns, drei Genderqueers, von unserem Zuhause aus geschrieben, wo wir
– uns gegenseitig die Haare schneiden und färben
– uns zusammen in unseren albernen kleinen schwulen Outfits und mit Make-up zurechtmachen
– gemeinsam durch die binäre Bürokratie, die uns vorgesetzt wird, navigieren
– uns gegenseitig ehrlich kritisieren
– uns gegenseitig buchstäblich mit Essen und dem Lesen transfeministischer Geschichten nähren, während wir auf dem Sofa kuscheln
– zu den Liedern unserer Geschwister und Vorkämpfer_innen tanzen
wo wir überleben, indem wir dramatische Memes und echte, hoffnungsvolle und rebellische Geschichten austauschen.
Wir schreiben diese Rede von zu Hause aus, denn die Welt da draussen ist ermüdend und anstrengend.
Wir sind keine inspirierende Geschichte, wir sind nicht immer mutig oder belastbar, wir sind uns nicht immer 100%ig sicher, dass wir trans sind und wir passen sicherlich nicht in akkurate, winzige Schubladen.
Diese Schubladen werden uns aufgezwungen von Psycholog_innen und Psychiater_innen, welche unseren Zugang zur Gesundheitsversorgung kontrollieren und Entscheidungen für uns statt mit uns treffen; von Polizist_innen, die einige von uns verprügeln und rassistischen Kontrollen unterziehen; von Politiker_innen aus dem Parlament, die so tun, als ob sie uns unterstützen; von Lehrer_innen, die uns eine Geschichte lehren, in der die schweiz keine koloniale Profiteurin gewesen sein soll und Queers bis vor kurzem nicht existierten; von Eltern, die mehr an ihrer Vorstellung von uns interessiert sind als an dem, was wir sind; von Ärzt_innen, die anhand unserer kleinkindlichen Genitalien entscheiden, ob wir normal genug sind oder ob wir gezwungen werden, chirurgische Massnahmen über uns ergehen zu lassen.
Wir sind pragmatisch hier.
Wir tun dies nicht, weil wir dafür am besten qualifiziert sind, sondern weil es getan werden muss.
Wir wollen selbst entscheiden, was mit unserem Körper, unseren Ressourcen, unserer Liebe und unserem Leben geschieht, und wir wissen, dass es euch genauso geht.
Wir wollen eine Welt, in der wir Unterschiede anstatt Wettkampf feiern und in der wir daran arbeiten, Zugänge zu sichern, anstatt nationalistische Grenzen. Wir wollen eine Welt, in der wir nicht von einem Staat abhängig sind für das Recht auf grundlegende Würde.
Wir werden diejenigen sein, die diesen ganzen Weg gehen, wir werden diejenigen sein, die zu Hause bleiben. Wir werden diejenigen sein, die bauen und wachsen und gären, bis wir uns frei bewegen und kleiden können, bis wir freundlich sein können und nicht mehr andauernd kämpfen müssen, schon nur um zu unseren eigenen Bedingungen existieren zu können.
Wir werden der Raum sein, den mensch Zuhause oder das Dazwischen nennt.
Wir werden uns gegenseitig physisch, finanziell, international und lokal unterstützen.
Wir werden aus Konflikten lernen und uns gegenseitig zur Verantwortung ziehen, denn wir sind noch nicht am Ziel.
Lasst uns das verwirklichen.
Lasst uns loslegen und weitermachen.
Lasst uns Geld umverteilen, Essen für unsere Liebsten kochen, uns ausruhen, unsere Hormone teilen, Faschist_innen bekämpfen; unseren lokalen revolutionären, «linksradikalen» Block anfeuern, Kollektive bilden, unsere eigenen Systeme austüfteln.
Lasst uns sicherere, mutigere Räume schaffen wo wir sanfte, erholsame Zeiten erleben.
Wir werden alles tun, was wir brauchen, um dorthin zu gelangen.
Danke, dass ihr mit uns geht.

Text: von roan und zwei weiteren trans Genderqueers
[1] t4t steht für «trans for trans» was hier als Form einer Politik der gegenseitigen Unterstützung (Mutual Aid) oder auch Sichtbarmachung politisierter Sorgegemeinschaften verstanden wird. Diese entstehen aus der Notwendigkeit, dass trans und queere Menschen sich umeinander kümmern müssen und wollen, weil uns adäquate Sorge von Familienangehörigen, dem Gesundheitssystem, Institutionen und der Parteipolitik, oft sogar von cis LGB-Gruppen, verwehrt bleibt.
Beitragsbild: Grafik von roan, 2024. ©the artist.