Uni Basel: Von der Macht zur Gewalt

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Von Tamea Wissmann

Inhaltlicher Hinweis: In diesem Beitrag geht es um sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt. Weiterführende Ressourcen werden am Ende dieses Textes aufgeführt.


Der öffentliche Anlass mit dem Titel «Und dann frass er mein Herz» hat zum Ziel, über sexualisierte Gewalt zu sprechen. Die Geschlechterforscherin Diana Baumgarten bemerkt zu Beginn des Podiums zu Recht, dass es nicht einfach ist, als Gesellschaft eine Sprache für sexualisierte Gewalt zu finden. Zu gross sind die Scham und die Bestürzung über diese Form patriarchaler Gewalt, welche besonders FINTA*-Personen täglich erleben.

Als Studentin der Universität Basel kann ich nicht über sexualisierte Gewalt schreiben, ohne jüngste – aber auch weiter zurückliegende – Ereignisse innerhalb der Universität anzusprechen, an der ich studiere: Am 5. November dieses Jahres wühlte ein Bericht von SRF Kassensturz Studierende der Universität Basel auf. Darin berichten zwei Betroffene von sexualisierter Gewalt von den Übergriffen, welche sie durch ihre Professoren erlitten. Die Berichte, welche die universitäts-internen Prozesse dokumentieren, wurden SRF nach einem dreijährigen Rechtsstreit gegen die Universität zugänglich gemacht. Das oberste Basler Gericht entschied zugunsten von SRF, da die Dokumente von öffentlichem Interesse seien. Der 17-minütige Videobericht zeigt auf, wie die Universität in den beiden thematisierten Fällen massiven Täterschutz betrieb.

Dass die Universität ein Problem im Umgang mit sexualisierter Gewalt hat, ist jedoch keine Neuigkeit. Bereits 2019 bildete sich ein Studierenden-Kollektiv namens «Empört Euch», welches zum Ziel hatte, Gerechtigkeit zu erstreiten für eine Betroffene von sexualisierter Gewalt durch ihren Doktorvater. Das Kollektiv stellte Forderungen an die Universitätsleitung, löste sich jedoch bald auf. Die politische Arbeit rund um das Thema wurde im Herbst 2022 durch das Kollektiv Dulifera wieder aufgenommen. Dulifera stellte erneut Forderungen an die Universitätsleitung.

Eine Absicht, Forderungen umzusetzen, ist nicht ersichtlich.

Die schriftliche Antwort der Universität Basel auf die Forderungen war ernüchternd: Insgesamt fünf Mal (!) wird betont, dass sexualisierte Gewalt an der Universität nicht toleriert werde. Auf die Forderungen wird nicht konkret eingegangen. Eine Absicht, Forderungen umzusetzen, ist nicht ersichtlich. Zudem brach die Universität den Kontakt zum Kollektiv Dulifera ab und erklärte sich im Weiteren auch nicht dazu bereit, im Rahmen einer von Dulifera organisierten Podiumsdiskussion Stellung zu beziehen.

Der Bericht von SRF Kassensturz löste letztes Jahr eine weitere Welle der Empörung unter Studierenden aus. Am 25. November 2024 fand eine Kundgebung auf dem Petersplatz statt, an der rund 200 Menschen teilnahmen. Am 11. Dezember, knapp fünf Wochen nach der Veröffentlichung des Berichts von SRF Kassensturz, veröffentlichte die Universität Basel auf ihrer Website ein Interview mit Prof. Dr. Nadja Braun Binder, Vizerektorin People & Culture, und Dr. Cora Wagner, Koordinatorin Persönliche Integrität. Die Kernaussage: Die Universität tut bereits alles in ihrer Macht stehende, um sexualisierter Gewalt vorzubeugen. In den durch Kassensturz angesprochenen Fällen habe die Universität mit der Massnahme der Abmahnung mit Kündigungsandrohung angemessen gehandelt – was bedeutet, dass nach wie vor jedes Semester Studierende von Tätern unterrichtet und betreut werden.

Transparent der Kundgebung, Petersplatz, 25. November 2024. Foto: Anonym.

Das Unitheater Basel führte im Februar 2025 ein Theaterstück zum Thema sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch an der Universität Basel auf. Aufbauend auf eingehende Recherchen schrieb das Team das Theaterstück KASSANDRA und inszenierte dieses im Ostquai in der Basler Hafengegend. Die Rektorin und der Pressesprecher der Universität Basel wurden im Vorfeld offiziell eingeladen, besuchten jedoch keine der insgesamt sieben Aufführungen. Baseljetzt und Bajour berichteten über das Projekt und das Stück war sehr gut besucht, besonders von Studierenden der Universität. Im Publikum sassen auch immer wieder vereinzelt(e) Dozierende.

Universitäre Strukturen sind stark hierarchisch und bergen deshalb eine erhöhte Gefahr für FINTA*-Personen, sexualisierte Gewalt zu erleben.

Das anhaltende Engagement der Studierenden und der Mut der Betroffenen zeigen: Die Vorfälle sexualisierter Gewalt innerhalb der Unistrukturen sind keine Einzelfälle. Sie sind fester Bestandteil der gesellschaftlichen Geschlechterordnung. Universitäre Strukturen sind stark hierarchisch und bergen deshalb eine erhöhte Gefahr für FINTA*-Personen, sexualisierte Gewalt zu erleben. Agota Lavoyer schreibt: «Wo Macht ist, ist Machtmissbrauch sehr nah […]».

Dass bekannte Täter nach wie vor Lehrstühle an der Universität innehaben, zeigt, dass die Universitätsleitung die Augen vor dem Problem verschliesst. Vonseiten des Rektorats bräuchte es einen starken Willen, etwas an den bestehenden Strukturen zu verändern. Es bräuchte echte Konsequenzen für Tatpersonen und strukturelle Veränderungen, welche den hierarchischen Abhängigkeitsverhältnissen etwas entgegensetzen. Solange diese Veränderungen nicht von höchster Stelle eingeleitet werden, können Studierende noch lange Theater machen oder demonstrieren – viel ändern wird sich nicht.

Die Universität Basel hat noch keinen guten Weg gefunden, sich dem Thema der sexualisierten Gewalt innerhalb ihrer Strukturen zu stellen. Der Titel des Anlasses im Kunstmuseum – «Und dann frass er mein Herz» – stammt aus Vicky Brandfords gleichnamigem Theaterstück, in dem sie über ihre eigene Gewalterfahrung spricht. Vicky sagt: «Ich kann erzählen. Das Publikum muss zuhören und sich auf meine Geschichte einlassen». Das hätte die Universitätsleitung mal hören sollen.


Weiterführende Ressourcen

Weiterführende Informationen und Untersützung bieten unter anderem…
… die Opferhilfe Beider Basel.
… die Opferhilfe Schweiz.
… das Männerbüro der Region Basel.
… das Telefon gegen Gewalt.
… die Dargebotene Hand.
… die Notrufnummer für Kinder und Jugendliche.

Literatur

Lavoyer, Agota (2024): Jede_ Frau. Über eine Gesellschaft die sexualisierte Gewalt verharmlost und normalisiert, München: Yes Publishing.

Beitragsbild: Transparent der Kundgebung, Petersplatz, 25. November 2024. Foto: Anonym.