Humor als Mittel zur Kritik in der Neuen Frauenbewegung, Teil 1. Ein Essay in zwei Teilen von Lea Dora Illmer.


Diä Mane da diä mani nid
Das gseht me mir wol a juhe
Diä Mane da diä mani nid
Das gseht me mir wol a

Die liebsten Lieder des Lesben-Trachtenvereins Zürich[1]

Wer ist der*die lustigste Feminist*in, der*die du kennst?

fragt uns Dominique Grisard zu Beginn des Seminars «Humor und Geschlecht». Ich überlege, schäme mich ein bisschen, schreibe dann auf: El Hotzo. Kurz darauf schickt mir mein Freund Jonas einen Artikel aus der Zeitgeist-Rubrik der Vogue: «El Hotzo und Co.: Deshalb fühlen wir uns von Fremden im Internet so gut verstanden». Es handle sich um humorvoll formulierte Alltagsbeobachtungen, die genau das aussprächen, was wir fühlen. Ist dem so?

Meine Professorin, Marion Schulze, erzählt mir von einem Interview mit Vinciane Despret. Diese sagt darin, dass sie deswegen so gerne feministische Bücher lese, weil sie immer lachen müsse.[2] Marion ist verwirrt: Lachen bei feministischen Texten? Sie musste noch nie lachen bei der Lektüre von Judith Butler.[3] Ich auch nicht. Im Gegenteil: Da ist dieser erdrückende Ernst, diese Weltuntergangsstimmung. Isabelle Stengers ist ähnlicher Ansicht, wenn sie in ihrem Artikel «Another look: Relearning to laugh» feststellt: «Our sciences no longer make us laugh» (2000, S. 41). Die Aktivistin Mary Maggic weitet diese Beobachtung über Theorie und Wissenschaft hinaus auf aktuelle queer-feministische Bewegungen aus, die heute ernster seien denn je. Sie hält während der Veranstaltung Aufstand aus der Küche im Kunstmuseum Basel diesem Status Quo entgegen: «Not everything has to be very militant and very serious – you know, we can still have fun». Humor stelle, so Maggic weiter, «a form of resistance» dar. Er sei «a way of pushing back».

Wann musstest du zuletzt lachen, während du feministische Texte last?

Für mich gilt: während ich meine Masterarbeit schrieb. Ich habe mich eingehend mit der sogenannten Frauengesundheitsbewegung der 1970er und 80er Jahre im deutschsprachigen Raum (Illmer 2022) beschäftigt. Und stellte fest: Überwiegend ernster Feminismus? Das war nicht immer so. Meine Freundin, Luzia Knobel, ist Expertin für die Zürcher Lesbenbewegung rund um das Magazin Lesbenfront (Knobel 2023). Im Austausch miteinander kamen wir zur Erkenntnis: Feminist*innen der bewegten 70er und 80er Jahre in der Schweiz nutzten Humor als Stilmittel zur Kritik. Es ist ein spezifischer Humor, der uns in Zines, Broschüren, Flyern und Zeitschriften dieser Zeit immer wieder fasziniert: Er ist bissig, frech, radikal. Oder wie die Kuratorin Marcia Tucker es im Rahmen einer feministischen Kunstausstellung dieser Zeit so treffend formulierte:

The work that particularly fascinated me and pushed me to rethink a lot of old issues had two characteristics in common. It was funny, really funny, and it went ‹too far›.

Marcia Tucker 1994, S. 4

In diesem Essay gehe ich der Frage nach, wie Humor in der Neuen Frauenbewegung Anwendung findet: Auf welche Weise wird in aktivistischen Texten ab den 70er Jahren Humor mit Kritik verbunden? Dazu habe ich mich einerseits gefragt, inwiefern Humor explizit thematisiert wird. Ich bin auf zwei theoretische Beiträge dieser Zeit gestossen: Einen Text aus der Lesbenfront von 1978, der sich aus der Perspektive der Neuen Frauenbewegung heraus mit Aktivismus und Humor beschäftigt. Er heisst: «Warum die Frauenbewegung (noch fast) keinen Humor hat». Naomi Weisstein, die Autorin, greift darin einige wichtige Aspekte von Humor als Mittel zur Kritik an Unterdrückung auf. Sowie die «Sondernummer Humor» der feministischen Zeitschrift Emanzipation von 1989. Andererseits untersuche ich exemplarisch drei Quellen, die Kritik auf spezifische Weise mit Humor verbinden: «Die Seite für den Mann» aus der Fraue-Zitig (1976, Nr. 4, S. 12) und daraus den Selbsttest «Sind Sie ein Frauenfeind?», die Seite «Für menschenwürdige Badeanstalten!» (samt «Volksbegehren» der Frauenwerkstatt), ebenfalls aus der Fraue-Zitig (1978, Nr. 12, S. 22), sowie das etwas jüngere «erste Manifest grosser und angesehener Künstlerinnen» (Dillier et al. 1998). Letzteres hat seine Wurzeln in der Neuen Frauenbewegung und trifft – wie ich argumentieren werde – deren Ton, auch wenn es erst Ende der 90er Jahre publiziert wurde. 


«Alles, was wir tun: LACHEN»

«Warum», fragt Naomi Weisstein zu Beginn ihres Artikels in der Lesbenfront, «sagt man uns Frauen seit einiger Zeit, wir hätten keinen Sinn für Humor?» (1978, S. 5) Gerade uns Frauen, die doch so oft lachten, die kaum etwas anderes täten, «[u]nd wenn wir nicht lachen, dann lächeln wir» (ebd.). Etwas später im Text entlarvt Weisstein ihren eigenen Aufhänger, indem sie einwendet, dass wohl «jedermensch» wisse, «dass Lachen ein höchst unzuverlässiger Massstab ist dafür, ob etwas lustig ist oder nicht» (ebd.). Die sozialen «Einsatzmöglichkeiten» des Lachens seien fast unbegrenzt (vgl. ebd.), ebenso seine Bedeutungen. Humor habe aber neben seinen anderen Funktionen in jedem Fall eine politische, die eng mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen verknüpft sei (vgl. ebd., S. 6). So kann Humor entweder dazu dienen, «irgendwen (wer er/sie auch sei) an ihren/seinen Platz zu verweisen, indem ‘gezeigt’ werden soll, dass die Betreffenden nicht ernst zu nehmen seien» (ebd.) oder aber der Humor helfe «als Waffe, als Überlebenstechnik der Unterdrückten» (ebd.). Dann nutzen ihn «Machtlose, die zurückschlagen» (ebd.). Hier beruhe der Humor, so Weisstein, auf dem Verständnis einer «gemeinsamen und ungerechten Unterdrückung» und sei «Ausdruck des Kampfs der Unterdrückten, die ihre Würde so behielten» (ebd.), indem sie die Unterdrücker lächerlich machten. Ein solcher Humor kann bestärkend sein, empowernd, wie wir heute sagen würden. Er kann Ausdruck davon sein, dass «uns die Rollen und sozialen Kategorien, in die man uns zwängt, nicht einschüchtern», sondern kreativ machen, indem wir mit ihnen «spielen, sie herausfordern, sie attackieren, sie lächerlich machen…» (ebd.).

Ich fühle mich an Mikhail Bakhtin und sein Konzept des Karnevalesken erinnert. Seiner Theorie zufolge bezieht sich Karneval auf die mittelalterliche Lachkultur, die sich durch anti-hierarchische Tendenzen auszeichnet. Für einen abgesteckten Zeitrahmen wird die herrschende Ordnung umgestülpt und ins Lächerliche gezogen. Autorität und Macht werden kritisiert, indem für einen Moment auf «die da oben» hinabgeschaut wird. 

Nun ist es so, dass die Autorin Naomi Weisstein zwar auf das Potenzial einer solchen machtkritischen Humortradition hinweist, genau diese Art von Humor aber 1978 in der feministischen Bewegung vermisst. Als sie nach Gründen dafür sucht, fällt ihr einerseits auf, dass es zu dieser Zeit ungewöhnlich war für Frauen, sich zu keinem anderen Zweck als einem Selbstzweck – dem «Plausch» [Vergnügen/Spass] – zusammenzuschliessen. Andererseits stehe «ein unabhängiger, sich mokierender Humor» der objektivierenden Rolle, die Frauen zu erfüllen hätten, entgegen (ebd., S. 7). Er ist dafür zu aktiv. Und sie nennt einen dritten «seltsam widersprüchlichen Aspekt», der es erschwere, einen «kämpferischen und lebensrettenden Humor» zu entwickeln: Die Tatsache, dass das Frausein in der patriarchalen Kultur an sich «etwas Lächerliches ist» (ebd.). Das heisse, «Teil der aktuellen Definition der FRAU ist: Lächerliche Person» (ebd.). Sie schliesst damit, dass ein Grossteil des neuen Frauenhumors darin bestehe, sich auszuprobieren: «wir müssen mit Ausdrucksformen experimentieren, welche die Fesseln des Sich-selber-Lächerlichmachens und der Selbstverleugnung sprengen» (ebd.). Das ist Teil dessen, was die Frauenbewegung zurückfordert: «unsere Freude» und «unsern Humor» (ebd.). Gelacht wird nur noch, wenn die Dinge entsprechen lustig sind, «[u]nd wenn wir nicht lachen, dann ist das so, weil wir einen scharfen und klaren Sinn für Humor haben» (ebd.).


«Vorsicht vor guter Laune, sie bringt alles ins Wanken»

«Einige behaupten, wir hätten ihn verloren, andere, wir hätten gar nie welchen gehabt», beginnt das Editorial der «Sondernummer Humor» der feministischen Zeitschrift Emanzipation (1989, S. 2), gefolgt von «[w]ir meinen: Diese Nummer soll Spass machen». Die Ausgabe sammelt verschiedenste Texte zum Überthema Humor, es geht um «Frauen und Humor», um «Lachen oder nicht lachen», «Humor im Hörsaal» und «Humor ist, wenn…». Die Frage danach, weshalb Frauen im Allgemeinen und Feministinnen im Besonderen vorgeworfen wird, keinen Humor zu haben, wird auch hier wieder prominent verhandelt. Gleichzeitig bemerke ich jedoch, dass viel selbstverständlicher von einem «feministischen Humor» gesprochen und ausgegangen wird. Und gleichzeitig scheint es im Gegensatz zu Weissteins Text unterdessen selbstverständlicher geworden zu sein, dass Frauen zusammen den «Plausch» haben. Die «Sondernummer Humor» verhandelt auch explizit Entwicklungen und Veränderungen in Bezug auf Humor in feministischen Bewegungen. In einem Interview mit einer feministischen Kabarettistin weist diese darauf hin, dass sie vor zehn Jahren die einzige war, es unterdessen aber – zumindest in Wien – sogar Frauengruppen gäbe. 

Gibt es feministischen Humor? Wenn ja, wo? Wo ist er hörbar, sichtbar, spürbar…? 

wird dann im Rahmen des Artikels «Lachen oder nicht lachen» (ebd., S. 7) explizit gefragt. Darauf antworten die Leser*innen etwa «feministischer Insiderhumor, alle wissen schon bei kleinsten Andeutungen, was frau meint.», «feministischer Humor? – was ist das? Humor sollte nie …’istisch’ sein, denn die ‘isten’ und die ‘istinnen’ haben selten grossen Humor gezeigt» oder auch «Frau findet ihn in frauenbewussten Gruppen – dieser Humor ist selten menschenverachtend und rassistisch, gleitet jedoch hie und da mal in bewusst ‘männerkomische’ Gefilde ab» (ebd.). Aber was, so frage ich mich nach dieser kurzen Bestandsaufnahme, macht ihn aus, den Humor der 70er Jahre in der Schweiz?

Im folgenden Teil 2 untersuche ich anhand dreier Quellen, was den feministischen Humor dieser Zeit auszeichnet. Meine Beispiele stammen allesamt aus feministischen Zeitschriften und Publikationen. Deswegen frage ich zuerst, was die Zines dieser Zeit charakterisiert – insbesondere im Hinblick auf Humor und humoristische Formate.

«Damengöttinnen am Äquator», erstmals aufgeführt 1979 im Theater Basel. Privatarchiv Monika Dillier, 1981. ©Privat.

Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe. Hier geht es zum zweiten Teil.

Lea Dora Illmer ist Geschlechterforscherin, freie Autorin und Lektorin. Ihre Masterarbeit hat sie zur sogenannten Frauengesundheitsbewegung in der Schweiz geschrieben. Sie ist Mitbegründerin des Vereins FKK (Feministische Kulturkritik).


[1] Quelle: Die liebsten Lieder des Lesben-Trachtenvereins Zürich. Schweizerisches Sozialarchiv. 00 Ar 437.93.2/1.

[2] An dieser Stelle danke ich Marion für die Inspiration zu diesem Text und für die Literaturhinweise.

[3] Obwohl folgendes Zitat wiederum aus Butlers Gender Trouble (1990) stammt: «Laughter in the face of serious categories is indispensable for feminism» (zitiert nach Molesworth 2000, S. 71).


Erwähnte und zitierte Literatur

Ankele, Gudrun (2007): «Helene Druskowitz’ Pessimistische Kardinalsätze (1905) als Manifest». In: Indecent Exposures

Bachtin, Michail [1965]: Rabelais und seine Welt. Volkskultur und Gegenkultur. Suhrkamp 1987.

Breuer, Gerda und Meer, Julia (Hg.): Women in Graphic Design. Jovis 2012.

Butler, Judith: Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity. Routledge 1990.

Dillier et. al. (1998): «Erstes Manifest grosser und angesehener Künstlerinnen». In: Steffen, Katharina (Hg.) Visionen und Experimente aus der Schweiz. Suhrkamp.

­Dillier et. al. (ohne Datum): «Manifest_BIO»

Emanzipation (1989): «Sondernummer Humor». Band 15, Heft 1. 

Fraue-Zitig (1976): «Sexualität». Heft 4. Juni.

Fraue-Zitig (1978): «Frauenprojekte». Heft 12. Juli – September.

Hutcheon, Linda [1989]: A theory of parody. University of Illinois Press 2000.

Illmer, Lea Dora (2022): «’Wir stellten fest, eines Tages, dass wir Expertinnen waren’. Praktiken der Wissensproduktion und Weitergabe – Eine Geschichte der Frauengesundheitsbewegung in Basel». Masterarbeit. Universität Basel. Unveröffentlicht.

Knobel, Luzia (2023): «’Über uns schreiben’. Lesbenfront – Publizieren als politische Praxis». Masterarbeit. Universität Basel. Unveröffentlicht.

Lesbenfront (1978): Heft 5. Mai.

Lesbenfront (1980): «Öffentlichkeitsarbeit». Heft 9. September.

Meer, Julia (2021): «Messy History». In: Missy Magazin.

Molesworth, Helen (2000): «House Work and Art Work». In: October 92.

Querengässer, Birgit (2022): «El Hotzo und Co.: Deshalb fühlen wir uns von Fremden im Internet so gut verstanden». In: Vogue Germany.

Schiran, Ute (1984): «Spinnerin, Häxe (Hexe), Furie». In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 12(7).

Sperk, Verena (2020): «Widerständiger Witz. Subversive Komik als feministische Strategie und Intervention?». In: Sperk, Verena et al. (Hg.) Geschlecht und Geschlechterverhältnisse bewegen. Transcript.

Stengers, Isabelle (2000): «Another Look: Relearning to Laugh». In: Hypatia 15(4).

Tucker, Marcia (1994): «Attack of the Giant Ninja Mutant Barbies». In: Bad Girls.


Beitragsbild: «Damengöttinnen am Äquator», erstmals aufgeführt 1979 im Theater Basel. Privatarchiv Monika Dillier, 1981 (Ausschnitt). ©Privat.